Die Kathedrale der Ewigkeit: Roman (German Edition) by Beinert Claudia & Beinert Nadja

Autor:Beinert, Claudia & Beinert, Nadja [Beinert, Claudia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426424049
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-10-28T16:00:00+00:00

Mit der ganzen Kraft ihrer schwabbeligen Oberarme riss die Bäuerin das Scheunentor auf und stemmte die Hände in die breit ausladenden Hüften. »Wo ist das Kind?« Sie hatte schlecht geschlafen und sich zu allem Überfluss gerade von ihrem Mann anhören müssen, heute Nacht neben den Topf gepinkelt zu haben.

Emmerich erhob sich verschlafen. »Das Balg ist weg?« Selten hatte er das Bauernweib so aufgelöst erlebt.

»Wo ist Hans?«, blökte die Bäuerin, nachdem sie erfasst hatte, dass die Schlafstätte des Gesuchten neben Emmerich leer war.

»Bestimmt ist er im Hühnerstall und liegt bei der Irren.« Emmerich gähnte und rieb sich die Augen.

»Bei der Irren?«, wiederholte der Sohn der Bäuerin, der soeben hinter ihr hervorgetreten war, und machte sich dann zum Hühnerstall auf.

Die Bäuerin durchwühlte derweil das Stroh in der Nähe von Hans’ Lager. Sie warf das Stroh auf, als läge Kuno darunter begraben und fluchte dabei ununterbrochen.

»Im Hühnerstall ist Hans nicht«, kam ihr Sohn nach einer Weile in die Ochsenscheune zurück.

Emmerich befiel eine böse Vorahnung. »Und Hühner-Gesa?«

»Die ist auch weg!«

In Emmerichs Hirn begann es zu arbeiten. Das Dummerchen, die Irre und der Schreihals waren weg. Das bedeutete … Emmerichs Blick glitt über die Tiere. »Sie sind zu Fuß los, vergangene Nacht.« Das einzige Tier des Hofes, das sich zum Reiten anbot – das Pferd – stand noch in seiner Ecke. »Haben sie Vorräte mitgenommen?«, fragte er.

»Ich schaue in der Vorratskammer nach«, schimpfte die Bäuerin. Mit der Gewissheit, dass einiges in ihren Regalen fehlen würde, verließ sie zusammen mit ihrem Sohn die Scheune.

»Solche wie die bringen nur Unglück!«, hörte Emmerich sie noch sagen und fuhr sich grübelnd über das borstige Kinn. Plötzlich fiel sein Blick auf die eigene Schlafstatt. »Mein Umhang!« Er hatte ihn am Abend zuvor doch noch neben sich gelegt! Auch als Schutz für sein … Emmerich trat ans Ende seines Lagers und strich das Stroh beiseite. Als er sah, dass die Erde dort ungewöhnlich lose war, wusste er Bescheid. Er formte seine Hände zu Schaufeln und begann, mit ihnen zu graben. Den Rest des Schinkens, der ihm dabei in die Hände fiel, legte er unbeachtet beiseite. Er grub und grub, doch als er bereits tiefer war, als er das Loch jemals ausgehoben hatte, war der graue Lederbeutel immer noch nicht zum Vorschein gekommen. Es gab keinen Zweifel. Sein Geheimnis war verschwunden. Emmerich hieb mit der Faust auf den Boden. »Diebespack!« Nach einigen weiteren Schlägen mahnte er sich jedoch zur Ruhe. Seinen Beutel bekäme er nur zurück, wenn er einen klaren Kopf bewahrte. Außerdem wollte er Genugtuung! Und es gab nur wenige Personen, denen er zutraute, ihn zu bestehlen. Genau genommen eigentlich nur zwei. Er musste Hans und Gesa finden!

Emmerich erhob sich und rannte hinüber zum Bauernhaus.

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